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Unterschätzte Risiken des Schwangerschaftsdiabetes

Matthias Töpfer - Mon Aug 07 2023 16:46:28 GMT+0000 (Coordinated Universal Time)


Schwangerschaftsdiabetes verschwindet nach der Geburt - doch Betroffene haben ein erhöhtes Risiko, einen Diabetes Typ 2 zu entwickeln. Das empfohlene Screening nimmt jedoch nur ein kleiner Teil wahr.

Etwa 40 Prozent der Frauen, die einen Schwangerschaftsdiabetes entwickelt hatten, gehen später nicht zum empfohlenen Diabetes-Screening. "Diese Zahlen sind erschreckend", sagt Katharina Laubner von der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Freiburg. Denn Betroffene hätten nach der Schwangerschaft ein zehnfach höheres Risiko, in den nächsten Jahren einen dauerhaften Typ-2-Diabetes zu entwickeln, das zeigen Studien. Auch die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Schlaganfällen oder Herzinfarkten, steige nach einem Schwangerschaftsdiabetes stark an. "Da müssen wir mehr Sensibilität schaffen", so die Diabetologin.

Immer mehr Fälle von Schwangerschaftsdiabetes

Schwangerschaftsdiabetes, oder auch Gestationsdiabetes genannt, ist die häufigste Stoffwechselerkrankung während einer Schwangerschaft. Fast acht Prozent der Schwangeren sind betroffen, Tendenz steigend. Diese Form von Diabetes tritt erst während der Schwangerschaft auf. Das Risiko, daran zu erkranken, ist besonders bei älteren Müttern höher und wenn es in der Familie vermehrt Fälle von Typ-2-Diabetes gibt. Auch ein hoher Body Mass Index ist ein Risikofaktor. Bei den Betroffenen ist die Glukoseverwertung gestört, der Blutzuckerspiegel steigt. "Die Patientinnen spüren zunächst nichts von der Erkrankung", erklärt Laubner. Doch ein Schwangerschaftsdiabetes ist gefährlich - für Mutter und Kind.

Gefährlich auch für das Kind

Denn die überschüssige Glukose geht über die Plazenta ins Blut des Babys über. Das reagiert und produziert mehr Insulin. Eine Folge: Die betroffenen Kinder wachsen rasant. Ein Geburtsgewicht von über vier Kilogramm sei bei unbehandelten Schwangerschaften mit Gestationsdiabetes nicht ungewöhnlich, erklärt die Diabetologin. "Bei großen Kindern kann es häufiger zu Geburtskomplikationen und -verletzungen kommen, aber auch zu einer höheren Kaiserschnittrate." Außerdem ist das Risiko einer gefährlichen Unterzuckerung nach der Geburt bei diesen Kindern höher und sie brauchen insgesamt häufiger medizinische Unterstützung nach der Geburt.

Ernährungsumstellung und Bewegung helfen

Doch die Frauen können etwas gegen ihren Schwangerschaftsdiabetes tun: Nur bei zehn bis 20 Prozent der Betroffenen wird eine Insulingabe notwendig - in den meisten Fällen reicht eine Umstellung der Gewohnheiten aus, erklärt Laubner. So könnten die Komplikationen bei Mutter und Kind vermieden werden.

Das bedeutet für die Frauen: Eine Ernährungsumstellung und regelmäßige Bewegung bis zum Ende der Schwangerschaft. "Bestenfalls auch noch danach. Denn der Schwangerschaftsdiabetes ist nach der Schwangerschaft zwar weg, aber die Frau hat dauerhaft ein erhöhtes Risiko für einen Diabetes mellitus Typ 2."

Regelmäßiges Screening wichtig

Deshalb ist es so wichtig, dass die Patientinnen mit Gestationsdiabetes auch nach der Geburt regelmäßig zum Screening kommen, so Laubner. Bereits sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt sollte ein Glukosetoleranztest durchgeführt werden, danach - je nach Risiko der Frau - erneut alle ein bis drei Jahre. Doch der Großteil der Frauen, etwa 60 Prozent, nehmen diese Nachsorgeangebote nicht wahr. Dass die Frauen nicht zum Screening gehen, hat vielfältige Gründe: Zum einen ist der behandelnde Gynäkologe nach der Schwangerschaft nicht mehr für die Diabetesvorsorge zuständig. Die müsste mit der Hausärztin durchgeführt werden. Doch die weiß in vielen Fällen nichts vom Gestationsdiabetes. Die betroffene Frau müsste sich selbst um das Screening kümmern, das geht in der sensiblen Phase mit einem Neugeborenen jedoch schnell unter.

Außerdem sind die durchgeführten Zuckertests aufwendig: Das Prozedere kann mehrere Stunden in Anspruch nehmen, hinzu kommen mögliche Wartezeiten und Kosten.

Das Bewusstsein für die Risiken des Schwangerschaftsdiabetes muss dringend gestärkt werden. Frauen sollten frühzeitig informiert und über die Bedeutung des Screenings aufgeklärt werden. Nur so kann das Risiko für Folgeerkrankungen gesenkt und die Gesundheit von Mutter und Kind geschützt werden.